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HOP

Drama, Belgien 2002, Regie: Dominique Standaert,

Buch: Dominique Standaert, Kamera: Remon Fromont, Michel Baudour,

Musik: Vincent D`Hondt, Produzenten: Thierry De Coster, Michel Houdmont, Dominique Standaert. Mit: Jan Declier, Kalomba Mbuyi, Antje De Boeck, Alexandra Vandemoot, Ansou Diedhiou u. a.

Beziehen kann man den Film z.B. unter www.absolutmedien.de. Er wurde auch in Norwegen, Frankreich und Belgien in den Schulen eingesetzt.

Der Verein bietet Hilfe für die nichtgewerbliche Präsentation und Arbeit mit dem HOP in Deutschland.

Es gehört zum Konzept, das Material mit Hintergrundinformationen zum Film auszustatten. Einen wesentlichen Hintergrund bildet dabei die Motivation des Filmemachers, Autors und Regisseurs - der Verein bezieht diese, soweit es möglich ist, mit ein. Medienkompetenz entwickelt sich aus dem Wissen darüber, wie und warum ein Film entsteht. Deshalb finden Sie hier ein Interview mit Dominique Standaert, das die Journalistin Uta Beth für die KinderJugendFilmkorrespondenz, (KJK) führte. Es ist in der KJK Nr. 99/3/2004 veröffentlicht. www.kjk-muenchen.de

"Keine Lanze für den Terrorismus"

Gespräch mit Dominique Standaert, Regisseur des belgischen Spielfilms "Hop"

KJK: Wie haben Sie das Thema für Ihren ersten Spielfilm gefunden?

Dominique Standaert: Vor ungefähr vier Jahren hörte ich im Radio, daß die belgische Polizei einen Afrikaner aufgegriffen hatte, der illegal bei uns lebte. Sein 12jähriger Sohn hatte fliehen können. Die Behörden standen nun vor der Frage, ob sie den Mann gleich abschieben sollten oder erst, wenn sie auch seinen Sohn hätten, um dann beide ausweisen zu können. Die Antwort war vollkommen logisch: Da der Mann keine Papiere habe, könne man nicht sicher sein, daß sein Sohn, wenn er denn gefunden würde, auch tatsächlich sein Sohn sei. Also auf der Stelle ab mit ihm nach Afrika! Als ich das hörte, war es, als hätte ich eine persönliche Botschaft gekriegt: Daraus mußt Du was machen. Vielleicht bin ich auch "a big sentimental".

So wie Ihr Anarchist Frans, der Justin hilft und ihn überhaupt erst auf die Terror-Idee bringt, um seinen Vater zurück zu kriegen.

Ich brauchte ihn, weil Terror keine Idee von Kindern, sondern von Erwachsenen ist - noch dazu eine dumme. Ausgangspunkt war das Paradoxon, daß die Behörden eines demokratischen Landes Leute nach Afrika zurückschicken, die nicht dorthin zurück wollen, und die - um bleiben zu können - bereit sind, Terror gegen eben dieses Land anzuwenden. Ein hoch explosives Thema, das ich beim Schreiben des Drehbuchs auf zwei verschiedene Arten ausdrücken mußte. Zum einen mußte ich darstellen, was genau mit dem Jungen passiert. Ich ging also zu mehreren Rechtsanwälten, um zu fragen, ob es z.B. möglich ist, jemanden tatsächlich bereits nach zwei Tagen abzuschieben. Ja, so ist es. Alles, was ich über die Abschiebung erzähle, kann genau so passieren. Ich habe es gründlich recherchiert. Auf der anderen Seite habe ich die Ebene des Terrorismus und natürlich spreche ich da auch vom Friedens-Nobelpreis, weil es immer das gleiche ist: wer bestimmt, wer Terrorist ist, wer Widerstandskämpfer. Ist Arafat ein Terrorist oder ein Held? Das ist eine schwer wiegende moralische Frage. Und wie können wir darauf antworten? In diesem Fall habe ich versucht eine Lösung zu finden, indem ich vorgebe, daß der Terror eigentlich nicht aus Schwarzafrika kommt, sondern von woanders eingeführt wurde. Das ist die Geschichte von Hannibal und den Pygmäen. Weil die Pygmäen sich weigern, Menschen zu töten, und Justin am Ende wieder entdeckt, daß er 'Pygmäe' ist, entscheidet er sich gegen den Terror und findet die gewaltfreie Lösung .

Und das ist der wahre Hop. Haben Sie bei Ihrem Film eigentlich an ein Kinderpublikum gedacht?

Nein, gar nicht. Ich war sehr überrascht, als ich mit "Hop" zu verschiedenen Kinder- und Jugendfilmfestivals eingeladen wurde, zum Beispiel nach Dänemark, Irland und Frankreich. Dort haben die Kinder sehr stark auf den Film reagiert, er bekam allerhand Preise und wird bei uns, in Frankreich, den Niederlanden, in Dänemark und Norwegen vertrieben - in Belgien und Frankreich wird er auch in Schulen gezeigt. Ich hoffe, daß wir auch in Deutschland einen Verleih finden.

Glauben Sie, daß die Kinder auch die politischen Implikationen verstehen?

Ja. Ich habe mit Kindern in mehreren westlichen Ländern darüber gesprochen und auch mit Kindern in Afrika, und auf beiden Seiten wurde der Film in seiner ganzen Dimension gut verstanden. Kinder sind ein tolles Publikum, weil sie so spontan reagieren. Sie fragen nie, warum ich in schwarz-weiß gedreht habe.

Warum haben Sie in Schwarz-weiß gedreht?

Eigentlich haben wir alles in Farbe gedreht und nachträglich auf schwarz-weiß umkopiert, weil ich schwarz-weiß sehr mag und nach dem Anschauen der ersten Muster fand, daß diese Ästhetik sehr gut zu der Struktur des Films paßt. Zum anderen gab mir die Farbe die Möglichkeit, die beiden Szenen zu Anfang und Ende des Films, wo sich der See rot färbt, so hervor zu heben, daß sich jeder das merkt. Es spielt aber auch eine Rolle, daß die meisten Szenen draußen in der Natur spielen, was eine aufwendige Farbkontrolle erfordert. Das wiederum kostet viel Zeit und Geld, was bei einem ersten Spielfilm natürlich fehlt. Insgesamt habe ich für das Drehbuch 8 Monate, für Geldbeschaffung und Drehzeit 8 Wochen und für die Nachproduktion noch mal ein halbes Jahr gebraucht ? mehr war nicht drin.

In Berlin haben sich vor allem die erwachsenen Zuschauer gefragt, ob Ihr Film nicht doch eine Rechtfertigung des Terrorismus darstellt. Schließlich läßt sich Frans, der sich ganz aus seiner terroristischen Vergangenheit zurückgezogen hat, durch Justin reaktivieren.

Ja, weil er es einfach unmenschlich findet, was mit seinem Vater passiert. Deshalb versucht er dem Jungen mit allen Mitteln zu helfen, die ihm zur Verfügung stehen. Andererseits aber ist er ständig bemüht zu verhindern, daß etwas passiert, was nicht wieder gut zu machen ist. Schließlich hat er selbst die schreckliche Erfahrung gemacht, daß man mit Terror nicht spielen kann - und wenn einer meiner Hauptcharaktere dem Publikum sagt, daß er drei Tote auf dem Gewissen hat, sollte das klar sein. Und denken Sie an die Szene, wo Justins Vater aus Afrika zurück gebracht wird und im Aufzug sehr reserviert zu Frans sagt: "Ich weiß nicht, ob ich Ihnen danken soll." Nein, "Hop" bricht keine Lanze für den Terrorismus, ganz im Gegenteil. Dafür steht auch das Symbol des blutroten Sees - ich denke doch, das kann jeder verstehen. .Alles, was auf und um den Staudamm herum spielt, wurde übrigens zwei Tage nach dem 11. September 2001 gedreht. Nach allem, was da in New York passiert war, das muß man sich mal vorstellen! Nach diesem Schock war es nicht nur sehr kompliziert, die Dreh-Erlaubnis zu kriegen, sondern auch ein Riesenproblem für uns, ausgerechnet diesen Teil aufnehmen zu müssen. Aber alles andere war bereits abgedreht und Sie können sich denken, wie genau ich geprüft habe, daß es da keine Mißverständnisse gibt. Trotzdem hatte ich große Angst vor den Reaktionen, als eine der ersten Vorführungen von "Hop" im Lincoln Center von New York stattfinden sollte, weil man damit die Woche des belgischen Films eröffnen wollte. Aber dort verstand man den Film, die Produzenten mochten ihn und haben ihn sogar gekauft.

Wie haben Sie Ihren Hauptdarsteller - Justin - gefunden?

Ich habe ein casting mit mehr als 100 Jungen gemacht, natürlich nur mit Laien, weil wir in Belgien keine Agenturen für Kinderdarsteller haben. Einen geeigneten Jungen von 13 Jahren zu finden, ist nicht ganz leicht, weil ein Kind dieses Alters oft noch sehr jung oder schon wesentlich älter wirkt. Und nun noch einen jungen Schwarzen bei uns zu finden, der körperlich einem Teenager entspricht, psychologisch aber schon weiter sein muß, nein, das war wirklich nicht leicht. Man muß ja schon an seinem Gesicht sehen, daß er sehr intelligent ist. Ich habe überall nach Justin Ausschau gehalten und Kalomba Mbuyi am Ende in einer Straßenbahn entdeckt. Er entsprach ganz meinen Vorstellungen, er ist auch in Wirklichkeit sehr klug und in der Schule sehr ehrgeizig.

Wie kam Emile M'Penza ins Spiel?

Die Fußballgeschichte war nicht von Anfang an drin, aber als ich am Drehbuch saß, erinnerte ich mich an das große Mannschaftsphoto, daß auf den Champs Elysées gezeigt wurde, als Frankreich 1998 Weltmeister wurde. Außer Zidane, der 2 Tore gegen Brasilien geschossen hat, waren noch 6 Leute in der Nationalmannschaft, die von Einwanderern abstammten - aus Algerien, Mali und Kamerun. Damals sprach man in Frankreich vom Sieg der Black Blond Beures - BBB - Black für Schwarze, Blond für Weiße und Beures für die Leute aus Nordafrika. Okay, manchmal ist Fußball wirklich sehr nationalistisch und dann wieder kann man da - in Frankreich, Deutschland oder sonstwo - wirklich auch schwarze Helden haben. Ja, und als ich an die BBB dachte, habe ich mir gesagt, daß wir in der belgischen Nationalmannschaft ja auch einen Schwarzen haben, M'Penza, der ja früher Stürmer bei Schalke 04 war. Ich habe ihn also gefragt, ob er mitmachen würde, und er war sofort dazu bereit. Daraufhin habe ich ein anderes Ende geschrieben - mein erstes war viel tragischer, aber gegen das Absurde geht man am besten mit Humor an. Und wenn man ein soziales Thema mit sozialem Humor verbindet, hat man mehr Publikum. Das wiederum ist eine gute Voraussetzung, um über das ganze Thema zu diskutieren.

Gibt es für Sie eine besondere Beziehung zu Afrika und können Sie uns etwas über Ihren persönlichen Hintergrund erzählen?

Ich bin 1957 in Bombay geboren, in Chicago und Kigali (Ruanda) aufgewachsen, wo ich im Alter von etwa 5 bis 9 Jahren gelebt habe - mein Vater hat in der Botschaft gearbeitet. Ich mochte Afrika sehr, habe meine Schule aber in Belgien absolviert.

Ich habe von 1976 bis 1980 Psychologie studiert, 1Jahr als Psychologe gearbeitet und bin dann auf die Filmschule in Brüssel gegangen. Jetzt arbeite ich schon seit 15 Jahren in der Branche, als Regieassistent, Herstellungsleiter, und nun auch als Regisseur, ich kenne also beide Seiten, und das ist mein erster Spielfilm, den ich auch mit produziert habe. Vorher habe ich schon zwei Kurzfilme gemacht. Und natürlich habe ich noch eine Menge Projekte im Kopf.

Zum Beispiel?

Ich arbeite gerade an zweien. Eines ist eine große aufwendige Produktion über den ersten Weltkrieg aus verschiedenen Blickwinkeln, dem belgischen, französischen, englischen, deutschen und auch dem afrikanischen. Verbindendes Glied wird die Antwort der verschiedenen Armeen auf einen Brieftauben-Botschaft sein. Das andere Projekt ist 'billiger'. Da handelt es sich um eine Komödie über alte Knaben von 50, die wissen wollen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. An dem Drehbuch schreibe ich gerade.

Uta Beth

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Szenenfoto