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Editorial III

Die Einschaltquotenmessung ist eine sehr interessante Angelegenheit. Hier wird versucht, den Absatzmarkt für eine Ware zu definieren, die mit der Ware, die materielle Bedürfnisse des Menschen befriedigt, wenig Gemeinsames hat. Der Wert einer Fernsehsendung liegt in der Botschaft, die diese Sendung uns vermittelt. Ihr Wert ist ideeller Art. Jede Kommunikation, also jedes Gespräch, ist nur möglich, wenn man etwas sagen will und kann. Die Produktion der Fernsehsendungen (Filme) ist kostspielig und läßt auch die einseitige Betrachtung bisweilen zu: die Fernsehproduktion sei, so wird behauptet, eine Ware wie jede andere Ware auch, die hergestellt werden muss. Die Ware Fernsehbeitrag hat aber unabdingbar mit der Botschaft zu tun, die sie vermittelt. Wer heute behaupten will, dass das heutige Fernsehangebot von der gesamten Bevölkerung in Deutschland gewollt ist, kann das kaum mit ruhigem Gewissen tun. Und wir bezweifeln, dass in Deutschland wirklich so viele Menschen die Darstellung von Brutalität, Gewalt und Absurdem bevorzugen, wie es die Quoten belegen sollen.

Die Einschaltquotenmessung kam zeitgleich mit dem privaten Angebot im Fernsehen, war und ist also ein fester Bestandteil des dualen Fernsehsystems. Jede Diskussion über die Trivialisierung und Brutalisierung des Fernsehangebotes endet nur mit dem machtlosen (oder machtvollen?) Argument: "Ja, aber die Einschaltquote zeigt ...". Es wird benutzt, um sich einer kritischen Auseinandersetzung zu entziehen.

Auch die werbetreibende Wirtschaft gibt ihr Geld nur dann, wenn sie weiß, dass Millionen den Beitrag sehen, in dem ihre Werbung geschaltet wird. Allein diese Werbepraxis birgt in sich einen Widerspruch. Keinem käme doch in den Sinn, einen Schuh, eine Bluse oder einen Mantel, ein Auto usw. zu zerschneiden, um in der Schnittstelle dann eine Information zu platzieren, die über eine ganz andere Ware Auskunft gibt. Warum darf dies in einem Fernsehbeitrag oder Film passieren?

Wenn ein Programmbeitrag verbindlich sein soll, dann kann er, ohne dass sein Wert gemindert wird, nicht beliebig unterbrochen werden.

In einer ehrlichen Kommunikation zwischen dem Anbieter und dem Verbraucher ist das Vertrauen das Wichtigste. Diese Haltung ändert sich, wenn wissentlich schlechte Ware angeboten wird. Dann muss der Anbieter ein Alibi finden, warum er dies tut. So hat man die Einschaltquotenmessung eingeführt. Sie ist anonym, keiner fühlt sich dabei persönlich angesprochen; und weil sie anonym ist, kann sie auch schon so lange als Alibi dienen. Die Einschaltquotenmessung ist ein moralisches Problem, dessen Lösung in anderer Verantwortung als bisher liegen müsste. Wir müssen solche Gegebenheiten wahrnehmen und ihre Veränderbarkeit erkennen: die mediale Gewalt, gerechtfertigt durch eine undurchsichtige, manipulierbare Quotierung, trifft uns alle und hinterlässt weitgehende negative Beeinflussungen.

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