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Meinungen zu unserem Vorhaben / Auszüge aus der Korrespondenz

Wichtig erscheint es mir, Programmverantwortliche, Programmacher und Produzenten für die potenziellen Folgen ihres Tuns zu sensibilisieren. Ich könnte mir vorstellen, dass die Idee eines gewaltfreien Fernsehsenders diese notwendige Debatte befördern kann.
Torsten Grothe, Bertelsmann Stiftung, 07.03.1995
Ihre Initiative bezüglich der Gründung eines gewaltfreien Fernsehenders begrüße ich.
Prof. Dr. Hans Küng, Tübingen, 13.03. 1995
Natürlich stehe ich Ihrem Vorhaben mit größter Sympathie gegenüber. Wenn es wirklich eine Möglichkeit gäbe, einen "gewaltfreien Fernsehsender" zu gründen und zu unterhalten, würde ich das außerordentlich begrüßen. Das gleiche gilt zweifellos für den Johanniterorden und die überwiegende Mehrheit seiner Angehörigen. Es wäre zudem wünschenswert, wenn auf dieser Weise eine Möglichkeit gegeben wäre, die großen ehrenamtlichen Leistungen zu würdigen, die - allen medialen Sensationsmeldungen und allem Kulturpessimismus zum Trotz - auch heute schon von den zahlreichen freigemeinnützigen Organisationen und von zahllosen Einzelpersönlichkeiten erbracht werden. Wo wird schon einmal erwähnt, dass jeder fünfte Deutsche ehrenamtlich tätig ist und dass alljährlich 5 Milliarden DM für humanitäre Zwecke gespendet werden? Aber Sie wissen das ja alles.
Wilhelm Karl Prinz von Preußen, Der Johanniterorden, Herrenmeister, 30.03.1995.
Ihre Gedanken über Gewalt in den Medien scheinen mir sehr berechtigt zu sein. Viele Ihrer Anregungen wären schon jetzt zu verwirklichen - auch wenn die von Ihnen vorgeschlagene Gründung eines eigenen "gewaltfreien Fernsehsenders" auf viele praktische Probleme stoßen würde.
Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, 29.06.1995.
Ich freue mich, dass Sie sich gegen zunehmende gewaltverherrlichende Darstellungen in den Medien wenden. Ich habe in meiner früheren Tätigkeit als Bundesjugendministerin versucht, gerade auch bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten auf ein Umdenken in dieser Frage hinzuwirken. Ich unterstütze daher auch heute gern Bemühungen, die dem Ziel dienen, gewaltverherrlichende und pornographische Darstellungen in den Medien einzudämmen.
Dr. Angela Merkel, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 11.07. 1995.
Im letzten Jahr hat sich sowohl rechtlich, als auch in den Köpfen der Menschen einiges bewegt, was das Thema Gewalt im Fernsehen und in der Gesellschaft insgesamt angeht. Seit August letzten Jahres sind verschärfte Jugendschutzbestimmungen in Kraft und in der veröffentlichten Meinung wird der Ruf nach einer Eindämmung von Gewaltdarstellungen immer lauter. Dennoch ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Insofern begrüße ich Ihre Überlegungen zu einem gewaltfreien Fernsehprogramm sehr. Insbesondere der Gedanke, dass — auch wenn die Verwirklichung eines solchen Programms Zeit braucht — allein die Diskussion darüber bereits hilfreich sein kann, ist sicher richtig. Daher wünsche ich Ihrer Idee weite Verbreitung.
Dr. habil. Maria Böhmer, Mitglied des Deutschen Bundestages, 13.07.1995.
Ich finde Ihr Vorhaben sehr beherzigens- und bewundernswert.
Dr. Marion Gräfin Dönhoff, "Die Zeit", 09.08.1995.
Wir stehen Ihrer Idee positiv gegenüber.
Dr. Edgar Weiler, VV-Medien e.V., 15.08. 1995.
Die Forderung einer Reduzierung der Gewaltdarstellungen im Fernsehen wird, wie zahlreiche an das Bundesjugendministerium gerichtete Zuschriften belegen, von einer breiten Mehrheit in der Öffentlichkeit getragen. Vor diesem Hintergrund verdient der von Ihnen zur Diskussion gestellte Vorschlag besondere Aufmerksamkeit. Nach einer ersten vorsichtigen Einschätzung könnten die in den Ihrem Schreiben beigefügten "Überlegungen zum Programm eines gewaltfreien Fernsehsenders in Deutschland" unterbreiteten Vorschläge zur Programmgestaltung ein breites Publikum ansprechen, so dass durchaus die Chance eröffnet sein dürfte, bei der Zielgruppe auf eine positive Resonanz zu stoßen. Es wäre sicherlich verfehlt anzunehmen, dass die von Ihnen zur Diskussion gestellte ambitionierte Idee eines gewaltfreien Fernsehprogramms angesichts der gegebenen rundfunkrechtlichen Strukturen schnell in Ergebnisse einmünden könnte. Der Weg zu einem solchen Programm ist, soweit teile ich Ihre Einschätzung, lang und erfordert Beharrungsvermögen und einen "langen Atem".
Claudia Nolte, im Auftrag Peter Joseph, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 08.09. 1995.
Mit den Ursachen der zunehmenden Gewalt unter Jugendlichen und in der Gesellschaft allgemein sowie der Rolle, die die Medien dabei spielen, müssen sich alle Verantwortlichen auseinandersetzen. Ich teile Ihre Meinung, dass vor allem die Film- und Fernsehanbieter selbst sich mit der Klage über zunehmende Darstellungen von Gewalt in den Medien befassen müssen. Ich verstehe Ihre Initiative so, dass Ihr Beitrag zu dieser Auseinandersetzung nicht nur ein von Gewaltdarstellungen freies Fernsehprogramm sein soll, sondern, dass Sie ein eigenständiges, "moralisch" wirkendes Sendeunternehmen verwirklichen wollen, durch das die Zuschauer in ihrer positiven Persönlichkeitsbildung unterstützt werden. Eine solche Ausrichtung eines Fernsehprogramms ist ein ehrgeiziges Unternehmen. Ich halte Ihr Engagement für einen besonders wertvollen Beitrag in einer Medienlandschaft, in der häufig den Einschaltquoten ein höheres Gewicht zugemessen wird als der Qualität der angebotenen Sendungen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz, 14.09.1995.

Immer Selbstzweck

Im Fernsehen Gewalt direkt darzustellen, ist in keinem Fall dramaturgisch begründet.

von Andreas Vent-Schmidt (Gründungsmitglied), Berlin 1995

Jeder Pädagoge kennt ihn: den "Montags-Effekt", wenn die Kinder die Fernsehleichen, die schwachsinnigen Schlägertypen, die "Helden" in Kampfanzügen des vergangenen Wochenendes nachspielen, wenn sie aufgekratzt und aggressiv sind. Am Wochenende haben sie zu Hause wieder einmal "gelernt", daß Konflikte und Aggressionen am besten durch Gewalt zu lösen bzw. abzubauen seien. Außerdem bemerken sie regelmäßig, daß Gewalt wohl ein von der Gesellschaft akzeptiertes, wenn nicht sogar geachtetes Mittel sein muß, mit dem man sich durchsetzt. Schließlich wird ja im Fernsehen gezeigt, daß Gewalt einfach dazugehört, ja sogar von positiven Helden erfolgreich praktiziert wird, und zwar schon nachmittags. Wer wird sich nun wundern, wenn ein Lehrer von seiner Klasse nicht mehr akzeptiert wird, weil er keine Gewalt, nicht einmal verbale, ausüben darf?

Der Montags-Effekt aber ist nur ein kleines, eher unwichtiges Übel. Von Bedeutung ist der psychische Schaden, den direkte Gewaltdarstellungen beim Zuschauer anrichten, übrigens auch beim Erwachsenen. Es gibt mehrere Theorien, wie Gewalt die Psyche negativ beeinflußt. Die vier wichtigsten seien in Kurzform vorgestellt:

Es gibt interessanterweise keine plausible Theorie, die eine Wirkung überhaupt bestreitet. Es ist nicht nötig herauszufinden, welche der Theorien zutrifft. Tatsache ist, daß mediale Gewalt schädlich ist und deshalb verschwinden muß.

Es gibt in Deutschland Sicherheitsvorschriften für Spielzeug, damit die Kinder sich nicht verletzen. Wer verhindert verletzte Kinderseelen?

Das Problem wurde schon vor langer Zeit erkannt. Im Jahr 1986 fanden die 19. Mainzer Tage der Fernsehkritik statt. Der Leiter des Institutes für Konfliktforschung in Wien, Prof. Dr. Friedrich Hacker, hielt den ersten Vortrag "Gewalt in der Welt / Ursachen-Formen", den er mit 17 Thesen beendete. Schon damals ergab sich als praktische Konsequenz dieser Erkenntnisse die Notwendigkeit eines gewaltfreien Fernsehprogramms. Einige seiner Thesen sind:

Im November 1995 hat sich in Berlin der "Förderverein für das erste gewaltfreie Fernsehprogramm in Deutschland e.V." gegründet. Der Verein mit dem programmatischen Kurztitel "Sichtwechsel" will die Einrichtung eines Fernsehprogramms bewirken, "das in Ehrfurcht vor dem Leben und mit Verantwortung gestaltet wird, in dem der Verrohung von Geist und Seele energisch entgegengetreten wird", wie es in der Selbstdarstellung heißt. Vor der Gründung gab es heiße Diskussionen um Begriffe und Definitionen. Was ist Gewalt? Gibt es Fälle, wo auf die direkte Darstellung von Gewalt nicht verzichtet werden kann, zum Beispiel bei Nachrichten? Besonders das Wort "gewaltfrei" im Vereinsnamen könnte zu Mißverständnissen führen. Uns ist klar, daß das Wort "gewaltfrei" strenggenommen nicht den Kern trifft. Das Leben ist ja leider auch nicht gewaltfrei. Uns geht es allerdings um die Art der Darstellung. Den gewaltsamen Tod eines Menschen, zum Beispiel bei Nachrichten, kann man auch darstellen, ohne ihn zu zeigen. Wir sind uns aber sicher, mit dem Begriff "gewaltfreies Fernsehen" von den meisten Menschen sofort verstanden zu werden, was unser grundsätzliches Anliegen betrifft.

Die Mitglieder des Vereins legen Wert auf die Feststellung, daß es nicht um die Bekämpfung des Fernsehens geht. Das wäre wohl auch ein aussichtsloses Unterfangen. Vielmehr gilt es, die vorhandenen Möglichkeiten einer erkenntnisreichen und lebensbejahender Fernsehkultur zu betonen und dafür ein Beispiel zu schaffen.

Der Verein will zunächst einmal eine öffentliche Diskussion über das Problem anregen und vor allem den weitverbreiteten Irrtum aus der Welt räumen, Gewaltdarstellungen seien mitunter notwendig, um eine Geschichte zu erzählen oder Spannung zu erzeugen. Im Gegenteil: oft sind gerade jene Filme packend und bewegend, die ohne direkte Gewaltdarstellungen auskommen. Berühmte Werke beweisen dies: "Zeugin der Anklage" zum Beispiel oder Fritz Langs "M - eine Stadt sucht ihren Mörder". Wer erinnert sich nicht an die bewegende Szene mit dem davonfliegenden Luftballon des Opfers? Der Mord an dem kleinen Mädchen wird erzählt, ohne ihn zu zeigen.

Die direkte Darstellung von Gewalt ist also immer Selbstzweck. Diese Erkenntnis den Menschen zu vermitteln und vor allem Alternativen zu zeigen, ist ein Anliegen des Vereins, dessen Arbeit schließlich zu einem gewaltfreien Vollprogramm führen soll. Im Grunde ist dieses Vorhaben, wenn von manchen auch als unrealisierbar angesehen, genau das, was die meisten Menschen wollen: Nach einer Umfrage des renommierten Forsa-Institutes im Auftrag des "Stern" meinen 87 Prozent aller Deutschen, im Fernsehen würde zuviel Gewalt gezeigt (Stern, 36/1995, S. 136).

Bleibt zu hoffen, daß die Arbeit des Vereins schon bald Erfolge erzielt. Die öffentliche Diskussion über unsere bestehende Fernsehwelt, ein gewisser Druck auf die Sendeanstalten, über ihr Programm nachzudenken, das Nicht-mehr-Hinnehmen des Bestehenden - nur eines dieser Dinge wäre schon ein Erfolg.

Weg zum Meer

Foto: Renate Zylla